Die Türkei ist nicht reif für die EU

Nach der Vorstandsitzung mit der Europäischen Volkspartei vergangene Woche in Zagreb in Kroatien fuhr ich mit ruhigem Gewissen nach Hause.  Die EU wird mit Kroatien wohl in Kürze den ersten Staat aus dem Westbalkan aufnehmen.

Nachdem die Schwierigkeiten mit Slowenien – das Nachbarland blockierte zehn Monate die Beitrittsverhandlung, insbesondere aufgrund der ungeklärten Grenzfrage der adriatischen Hoheitsgewässer -   aus dem Weg geräumt wurden, steht nun einem Beitritt kaum mehr etwas im Wege. Im Juni 2010 hat eine überwältigende Mehrheit des kroatischen Parlaments wesentliche Änderungen der Verfassung, die für einen EU-Beitritt notwendig sind, angenommen. Die Regierung ist sehr kooperativ und will nun endlich Teil Europas werden. Die Verhandlungen sind in der Abschlussphase, ein Zeichen für alle Erweiterungsländer, dass der Beitritt – sofern die erforderlichen Bedingungen erfüllt sind – Wirklichkeit werden kann. Voraussichtlich noch in diesem Jahr werden die kroatischen Bürger über den Beitritt abstimmen, 2012 dürfte die EU dann das 28. Mitglied aufnehmen. Es ist schon bedeutsam, dass nun ein Land Mitglied unserer Staatengemeinschaft, das noch vor nicht allzu langer Zeit tief in den Balkankrieg verstrickt war.

Anders sieht es mit den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aus. Der anhaltende Konflikt der Türkei mit Zypern und Griechenland und die sich verschlechternde Situation der Pressefreiheit im Land dominierten die Debatte im Parlament über die Fortschritte der Türkei bei ihren EU-Beitrittsverhandlungen im Jahr 2010. Ich und viele andere meiner Kollegen äußerten sich kritisch bezüglich des Türkei – Beitritts. Natürlich hat die EU ein großes Interesse an guten nachbarschaftlichen Beziehungen zum geopolitisch strategischen Land am Bosporus. Wir können kein Interesse daran haben, dass sich die Türkei von Europa abwendet und ihre Freunde im Osten, im arabischen Raum, sucht. Von diesem Interesse zum Beitritt ist aber ein langer Weg.

Die Türkei ist nun seit 1999 offiziell Beitrittskandidat der EU und hat es bis heute nicht geschafft durch ihre politischen Reformen zu überzeugen. Diffamierung von Journalisten, Menschenrechtsfragen und die relativ niedrige Wirtschaftskraft und der schwache Entwicklungsstandard machen dem Land immer noch zu schaffen, wenn sich auch die Lage seit Beginn der Beitrittsverhandlungen gebessert hat. Zudem muss auch die Achtung der Religionsfreiheit im Land mehr Gewicht erhalten.  Auch aufgrund ihrer Größe ist die Türkei nicht zu unterschätzen, durch einen möglichen Beitritt würden die Machtverhältnisse innerhalb der EU wesentlich verschoben. Der Fortschrittsbericht über die Beitrittsverhandlungen, den wir in dieser Woche im Parlament abgestimmt haben, ist kritisch und deutlich vorsichtiger als die Berichte der vergangenen Jahre. Auch die Befürworter des Beitritts scheinen nun kalte Füße zu bekommen.

Meines Erachtens ist die Zeit für einen EU-Beitritt der Türkei noch lange nicht reif.

Veröffentlicht am 10.03.2011
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